Das Arbeitsgesetz verbietet es, am Sonntag Personal zu beschäftigen. Dennoch haben bereits über 2100 Läden regelmässig am Sonntag geöffnet. Darunter fallen Läden in Bahnhöfen, Flughäfen, Tourismuszonen und Tankstellenshops
Allein in den Bahnhöfen der SBB sind knapp 500 Geschäfte jeden Sonntag geöffnet. Weitere folgen bald. In den 38 grössten Bahnhöfen, die gemäss dem Bund als Zentren des öffentlichen Verkehrs gelten, dürfen alle Läden sonntags geöffnet sein. Noch vor zehn Jahren galt dieser Status nur für 29 Bahnhöfe. In kleineren Bahnhöfen dürfen meist Läden geöffnet sein, die an Reisende gerichtete Artikel verkaufen.
Tourismuszonen um sonntags geöffnet zu haben
Daneben versuchen Gewerbetreibende mit Läden abseits von Bahnhöfen Ausnahmen auszunützen. Ein Weg führt über sogenannte Tourismuszonen. In Luzern oder Interlaken dürfen sonntags gewisse Läden in den touristischen Gebieten bereits seit Langem offen sein. Das Prinzip soll nun auch anderswo eingeführt werden. Der Gewerbeverband City Com will etwa in der Stadt Baden eine Tourismuszone festlegen. Spätestens bis Ende 2020 soll sie stehen, so das «Badener Tagblatt». Einen ähnlichen Vorstoss debattiert der Berner Grosse Rat im Juni.
Betriebe können vom Vorstoss profitieren
FDP-Grossrat Adrian Haas will, dass Familienbetriebe in der unteren Altstadt sonntags öffnen dürfen. Es gehe nicht um eine generelle Öffnung, sagt Haas. Die Untere Altstadt gelte nicht als Tourismusgebiet. Heute sei es aber selbst Familienbetrieben verboten, an einem Sonntag zu öffnen. «Von meinem Vorstoss könnten Betriebe profitieren, die ein Angebot für Touristen haben», sagt Haas. Um für Touristen attraktiv zu sein, pocht auch Zürich Tourismus auf eine Sonderregelung. «Für uns wäre die Sonntagsöffnung wichtig», sagt Sprecher Ueli Heer. Gerade asiatische Touristen seien es sich gewohnt, immer einkaufen zu können. Die heutige Regelung benachteilige die grösste Tourismusdestination der Schweiz – einerseits gegenüber den ausländischen Metropolen, in denen die Läden sonntags geöffnet seien, andererseits gegenüber Schweizer Konkurrenten.
Zürich lockert Gesetz
Erst Ende 2017 wurden die Regeln in Zürich gelockert. Läden mit einer Fläche von weniger als 200 Quadratmetern und einem Grundangebot, die an gut frequentierten Tram- oder Bushaltestellen stehen, dürfen seit dann am Sonntag offen sein. Der Kioskbetreiber Valora profitierte mit einer Avec-Filiale als Erster davon. Allein in der Stadt Zürich fallen 18 Haltestellen unter die neue Regelung. Das Arbeitsinspektorat der Stadt Zürich setzt damit eine Wegleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft um. Die Hoheit über die genaue Auslegung haben die Gemeinden und Kantone. Potenziell könnten Hunderte Haltestellen in der Schweiz von der Wegleitung betroffen sein, wenn sie ähnlich wie in Zürich ausgelegt wird. In der Stadt Zürich seien bereits «einige Gesuche» eingegangen, heisst es beim Arbeitsinspektorat.
Viel Arbeit für Gewerkschaften
Damit kommt auf die Gewerkschaften viel Arbeit zu. Sie gehen rechtlich gegen Händler vor, die Spezialregelungen ausnützen wollen. In Rapperswil-Jona SG kämpft die Unia derzeit etwa gegen Coop. Der Detailhändler will eine neue Filiale am Bahnhof auch am Sonntag öffnen.
Das St. Galler Amt für Wirtschaft hat die Pläne abgesegnet, die Unia hat Rekurs eingelegt. «Das Bedürfnis, auch am Sonntag einzukaufen, ist konstruiert», sagt Unia-Sprecherin Leena Schmitter. Offene Läden verteilten lediglich den Konsum von sechs auf sieben Tage, sagt sie. Es sei aber nicht notwendig, sieben Tage die Woche zu arbeiten: «Wir sind dagegen, dass Menschen dem Profitstreben untergeordnet werden.»
Auch politisch haben Liberalisierungsvorhaben einen schweren Stand. Im Kanton Zürich stimmte die Bevölkerung im Jahr 2012 mit 71 Prozent gegen die Initiative «Der Kunde ist König», die eine Abschaffung der Ladenöffnungszeiten forderte. Selbst die Abstimmung, die liberale Öffnungszeiten von Geschäften in den grössten Bahnhöfen ermöglichte, fand 2005 nur eine knappe Mehrheit.
Tijana Nikolic