Aktuelle Grenzwerte für Feinstaub in der Luft orientieren sich an Menge und Grösse der Partikel. Für die Gesundheit ist jedoch nicht nur die Staubmenge entscheidend, sondern auch dessen
Zusammensetzung. Forscher der Empa haben jetzt das schädigende Potential von Feinstaub in der Schweiz und in China verglichen
Wer an einem trüben Tag plötzlich von einem unkontrollierbaren Hustenanfall geschüttelt wird, leidet womöglich an den Folgen einer zu hohen Feinstaubbelastung der Luft. Atembeschwerden, Kreislaufkrankheiten oder gar Lungenkrebs können durch die winzigen Partikel ausgelöst werden. Schwebestoffe, die vom Menschen verursacht werden, enthalten beispielsweise Russ, Metalle und synthetische Nanopartikel. Um die Luftqualität strenger zu kontrollieren, gilt seit dem 1. Juni 2018 in der Schweiz die neue verschärfte Luftreinhalteverordnung (LRV). Diese legt zusätzlich zu PM10 einen zweiten Grenzwert, PM2.5, für noch feinere Schwebestoffe fest. Allerdings orientieren sich beide Werte lediglich an der Menge der Partikel bis zu einem gewissen Grössenlimit – also 10 beziehungsweise 2.5 Mikrometer Durchmesser. Forscher der Empa haben nun in einer aktuellen Studie gezeigt, dass die reine Menge nicht zwingend etwas über das schädigende Potenzial von Feinstaub aussagt.
Luftproben aus der Schweiz und China
Jing Wang und sein Team aus dem Empa-Labor «Advanced Analytical Technologies» untersuchten hierzu Luftproben aus der Schweiz und aus China. Zwar schnitt die Luftqualität der Metropole Peking erwartungsgemäss schlechter ab als die Proben aus der Schweiz. Mit ihren detaillierten Analysen deckten die Forscher jedoch auch auf, dass sich die Zusammensetzung des Feinstaubs sehr stark unterscheidet. «Betrachtet man etwa das sogenannte oxidative Potenzial des Feinstaubs, war der Effekt vergleichbarer Partikelmengen in manchen Schweizer Proben heftiger und somit folgenreicher als in China», sagt Wang. Das oxidative Potenzial ist ein Mass für die schädigende Wirkung des Feinstaubs, da aggressive Substanzen im Körper oxidativen Stress und Reaktionen der Immunabwehr auslösen.
Beteiligt an diesen gesundheitsschädigenden Eigenschaften der Schwebestoffe sind beispielsweise Metalle wie Cadmium und Arsen oder Russteilchen. In China zeigten grosse Mengen an ultrafeinen Arsenpartikeln ein gesundheitliches Risiko der Luft an. Proben aus dem Zürcher Vorort Dübendorf enthielten dagegen deutlich mehr Eisenpartikel im 10-Mikrometerbereich. «Die Eisenpartikel stammen vom Abrieb der nahegelegenen Eisenbahnstrecke», so der Forscher. Gemeinsam mit Kupfer und Mangan trug der Eisenstaub in der Dübendorfer Luftprobe zum oxidativen Potenzial der Proben bei.
Ein weiterer Schweizer Wert fiel den Empa-Forschern auf: Die Luftprobe eines Schweizer Bauernhofs schnitt schlechter ab als jene von einer belebten Strasse mitten in Peking, zumindest was die Belastung mit bestimmten Bakterienprodukten betraf. Dass derartige Endotoxine in der Umgebung von Kuh und Co. gehäuft in der Luft vorkommen, ist bekannt. Vor allem für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann von den biologischen Schwebstoffen aber ein gesundheitliches Risiko ausgehen. Besonders die ultrafeinen Schwebestoffe vom Bauernhof waren mit bakteriellen Endotoxinen belastet.
«Die Auswirkungen von Schwebstoffen auf die Luftqualität und Gesundheit lassen sich nicht allein anhand der Menge von inhalierbaren Partikeln beurteilen», sagt der Analytiker. «Kennt man aber die Zusammensetzung des Feinstaubs, kann ein regional angepasster Gesundheitsschutz umgesetzt werden.» Andernfalls laufe man Gefahr, die regionale Feinstaubbelastung zu unterschätzen oder Massnahmen zu ergreifen, mit denen die Gesundheitsrisiken nicht gesenkt werden. Jing Wang und sein Team arbeiten nun daran, Standards für konkretere Feinstaubanalysen zu entwickeln. Ziel soll es sein, gefährliche Komponenten leichter identifizieren und gesundheitlichen Gefahren mit optimierten Strategien vorbeugen zu können.
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