Die EDU sieht im Islam eine Gefahr.
Die Schweizerische Volkspartei führt die Kampagne zur Minarett-Initiative an, über die Ende November abgestimmt wird. Eine weit weniger bekannte Partei ist ebenfalls sehr aktiv: Die Eidgenössisch-Demokratische Union. Der Politologe Hans Hirter erläutert.
Die meisten Persönlichkeiten, welche die Volksinitiative für ein Bauverbot von Minaretten verteidigen, kommen aus der Schweizerischen Volkspartei (SVP). An vorderster Front engagieren sich der Walliser Nationalrat Oskar Freysinger und Ulrich Schlüer aus Zürich.
Was die Öffentlichkeit weniger wahrnimmt, ist, dass eine andere Partei, die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU), den Bau von Minaretten ebenfalls bekämpft. Mehr noch: Diese religiöse Partei hat die Initiative ins Leben gerufen. Und trotzdem ist sie wenig bekannt.Um mehr über sie zu erfahren, hat sich swissinfo.ch mit dem Politologen Hans Hirter von der Universität Bern unterhalten. Er ist der Autor des Artikels über die EDU im historischen Lexikon der Schweiz.
Wie kommt es, dass die EDU der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist?
Hans Hirter: Zuallererst weil es sich um eine kleine Partei handelt, die bei den letzten eidgenössischen Wahlen nicht einmal 2% der Stimmen holte, auch wenn sie in 15 Kantonen präsent ist.
Zudem ist es eine junge Partei, die erst seit 1975 existiert.
Es gibt aber gewisse Regionen, in denen die EDU stärker präsent ist.
H. H.: Besonders stark ist die EDU im Kanton Bern, wo sie über 4% der Stimmen holte, und auch in den Kantonen Zürich, Thurgau und Aargau. Bezeichnend ist, dass es sich hier um mehrheitlich protestantische Kantone handelt.
Die EDU ist besonders präsent in protestantisch-konservativen Regionen, also dort, wo es viele Anhänger von Freikirchen gibt, von evangelischen Gruppen, die nicht zur protestantischen Landeskirche gehören.
Wie kam es zur Gründung dieser Partei?
H. H.: Es handelt sich um ein Amalgam. Die Mitglieder stammen einerseits von der Schweizerischen Republikanischen Bewegung, der ausländerfeindlichen Partei der 1960er-Jahre von James Schwarzenbach, die immer auch sehr konservativ war.
Andererseits hatte es auch Leute der Evangelischen Volkspartei (EVP) – insbesondere im Kanton Bern -, die fanden, diese positioniere sich zu sehr in der Mitte oder sogar links, so bei ökologischen und sozialen Themen.
Gewisse sehr konservative Mitglieder dieser evangelischen Partei schlossen sich mit der Nationalen Aktion zusammen und gründeten die EDU.
Kann man sagen, dass es sich um eine religiös-fundamentalistische Partei handelt?
H. H.: Bis zu einem gewissen Grad, ja. Denn die EDU betont in all ihren Publikationen, das Fundament ihrer Politik sei die Bibel. Für sie lässt die Bibel keinen Interpretationsspielraum zu, sondern muss beim Wort genommen werden. Von ihr kommen alle politischen Direktiven.
Steht die Partei klar im rechten Lager?
H. H.: Nicht ganz, denn in einigen Fragen vertritt die EDU auch die Position der Gewerkschaften. Ich denke da zum Beispiel an die Ladensöffnungszeiten am Sonntag. Und wie die Linke lehnt sie genetisch veränderte Lebensmittel ab.
Das bedeutet, dass sich die EDU nicht scheut, mit der Linken zusammenzuspannen. Aber generell gesehen handelt es sich ganz klar um eine konservative Partei.
Verschiedene Parteien berufen sich auf das Christentum. Welche wesentlichen Unterschiede und welche Ähnlichkeiten gibt es zwischen ihnen und der EDU?
H. H.: Die Christlich-Sozialen (CSP) und die Christlichdemokraten (CVP) sind Parteien, die sehr stark vom Katholizismus und den sozialen Ideen des Katholizismus geprägt sind. Die EDU dagegen ist zu 100% protestantisch.
Es gibt aber auch Ähnlichkeiten, so etwa in der Familienpolitik, wo sich alle diese Parteien sehr nahe sind. Für sie ist die Familie das Zentrum der Gesellschaft. Sie muss ihrer Ansicht nach geschützt und vom Staat sogar gefördert werden.
Kann sich die EDU allenfalls vergrössern, oder ist sie dazu verurteilt, ein ganz kleines Gebilde zu bleiben?
H. H.: Eine Entwicklung ist kaum denkbar, denn viele ihrer konservativen Ideen sind bereits von der SVP besetzt. Sie ist eine fast unschlagbare Konkurrenz.
Dazu kommt, dass die EDU zu stark an einen Evangelismus gebunden ist, der nur in gewissen protestantischen Regionen ankommt. In den Städten und Agglomerationen ist diese Partei praktisch chancenlos.
Was halten Sie vom Vorgehen der EDU gegen den Bau von Minaretten?
H. H.: Ich glaube nicht, dass es sich um Populismus handelt mit dem Ziel, die Wahlen zu gewinnen. In diesem Punkt unterscheidet sie sich von der SVP.
Die EDU ist wirklich überzeugt davon, dass der Islam eine Bedrohung darstellt. Das sieht man in ihren Positionen. Diese Partei verteidigt beispielsweise ganz vehement den Staat Israel.
Die Landeskirchen sind gegen ein Verbot von Minaretten. Auch hier tanzt die EDU aus der Reihe.
H. H.: Ja, aber das lässt sich mit ihrer Basis erklären. Ihre Anhänger gehören weder der katholischen noch der protestantischen Kirche an, sondern kleinen evangelischen Freikirchen, die von jeglicher nationaler Organisation unabhängig sind.