Die Strategie des Bundesrats gegen die Angriffe auf das Schweizer Bankgeheimnis wird von Links und Rechts kritisiert. Die Mitte sucht den Kompromiss. Linke und Grüne nehmen die Debatte zum Anlass, die Frage eines EU-Beitritts wieder aufs Tapet zu bringen.
Die OECD will Steuerdelikte künftig als Vortaten zur Geldwäscherei qualifizieren. Die EU fordert von der Schweiz den automatischen Informationsaustausch von Bankdaten. CDs mit gestohlenen Schweizer Bankdaten haben bereits 4000 deutsche Steuersünder dazu gebracht, sich selbst beim Finanzamt anzuzeigen. Der Bundesrat setzt auf neue Doppelbesteuerungs-Abkommen, die auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe vorsehen. Den (personalisierten) automatischen Informationsaustausch lehnt er ab. Stattdessen bietet er interessierten Ländern eine (anonyme) Abgeltungssteuer auf den Vermögen ausländischer Bankkunden an. ”Das ist die richtige Strategie, ein Zukunftsmodell”, urteilt der freisinnige Ständerat Rolf Schweiger. “Eine Abgeltungssteuer bedeutet, dass jeder Staat davon profitieren kann und zwar mit namhafteren Beträgen als bei Amtshilfe oder automatischem Datenaustausch.” Seit dessen Einführung in der EU habe sich “am Fiskalverhalten überhaupt nichts verändert”, sagt Schweiger: “Die EU manövriert sich mit dem Informationsaustausch zudem in eine Situation, in der sich der Finanzplatz EU von der restlichen Welt völlig verabschiedet.”
Informationsaustausch: ohne USA
Ganz anders tönt es im links-grünen Lager: “Eine Abgeltungssteuer kommt sowieso nicht in Frage. Das ist eine unglaubliche Verzögerungstaktik des Bundesrats. Man wirft ständig etwas in die Waagschale, das gar nicht zur Diskussion steht, und vergibt damit Handlungsspielraum”, kritisiert die Grüne Nationalrätin Marlies Bänziger. Die politische Mitte sucht den Kompromis: Ihm sei bewusst, dass “die politische Akzeptanz” einer Abgeltungssteuer im Ausland “sehr klein” sei , sagt Pirmin Bischof, Nationalrat der Christlich-demokratischen Volkspartei. “Mit der EU ist sie leider nicht machbar, mit einzelnen Ländern aber ist sie möglich.” Bischof stellt sich eine Kombination von Abgeltungssteuer und vorheriger Steueramnestie in den einzelnen Ländern vor. Die Amnestie in Italien sei aus Schweizer Sicht “fast überraschend optimal” gelaufen, so Bischof. ”Sie hat dazu geführt, dass die in Lugano angelegten, vorher nicht deklarierten Gelder nach der Amnestie wiederum bei Schweizer Banken angelegt worden sind, allerdings deklariert.” Den automatischen Austausch von Bankdaten lehnt Bischof klar ab. “Das ist ein exotisches System. Nur die EU kennt es. Die USA denken nicht daran, bei so etwas mitzumachen. Zudem würde es die Aufhebung des Bankgeheimnisses bedeuten.”
Landesverräter oder vernünftige Leute?
Der Bundesrat reagiere “permanent reaktiv” auf den internationalen Druck, sagt der sozialdemokratische Nationalrat Jean-Francois Steiert: “Man wartet, bis man kurz vor dem Abgrund steht und schaut, was man noch machen kann. Eine langfristige Strategie fehlt.” Das Bankgeheimnis werde dem Druck mittelfristig nicht standhalten können, so Steiert, dessen Partei seit Jahrzehnten erfolglos für dessen Aufhebung einsteht. “Bis vor kurzer Zeit wurden die Gegner als Landesverräter bezeichnet. Jetzt haben auch in den Mitte-Parteien vernünftige Leute gemerkt, dass man es nicht aufrecht erhalten kann.” Mit “Salamitaktik” und “Bubentricks” habe der Bundesrat “im Prinzip” das Bankgeheimnis gegenüber ausländischen Kunden aufgehoben, urteilt Hans Kaufmann, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei.
Keine Hilfe fürs Ausland
“Die nächste Stufe wird dann die Abschaffung im Inland sein.” Deshalb solle der Bundesrat “endlich den Mut haben” und dem Volk eine Abschaffung zur Abstimmung unterbreiten, sagt Kaufmann. ”Da bin überzeugt, dass das Volk anders entscheiden wird. Die Schweizer hängen an unserem System. Der Staat hat kein Recht in unseren intimsten Finanzgeschäften zu schnüffeln.” Dem Ausland gehe es um “reine Machtspiele und nicht um die Steuergerechtigkeit”, sagt Kaufmann. “Wenn die Staaten effektiv ihr Steuersubstrat sichern wollten, dann könnten sie weltweit eine Verrechnungssteuer einführen. Es gibt keinen Grund, wieso wir dem Ausland Hilfe anbieten sollten”.
EU-Beitrittsgesuch erneuern
Die Schweiz schotte sich immer mehr ab und bekomme dies auch – wie etwa in der Libyenkrise – zu spüren, erklärt der Sozialdemokrat Steiert. “Wenn man klein ist und die Andern gross, dann ist das eine reine Verliererstrategie. Wir sind extrem interdependent von Nachbar- und andern Staaten. Der Preis, den wir für jedes kleine Verhandlungsergebnis – sei es in der Sicherheits-, der Asyl- oder der Forschungspolitik – bezahlen, wird permanent höher.” Er sei überzeugt, dass die Schweiz Richtung EU-Beitritt gehen müsse. “Die Fakten schieben uns langsam in diese Richtung. Wenn die SP sagt, ein Umdenken sei nötig, dann ist die Wirkung nicht gleich gross, wie wenn man nach und nach merkt, dass der Preis für den Staus quo immer höher wird.” Die Zusammenarbeit mit der EU sei “blockiert, der Weg des Bilateralismus am Ende”, diagnostiziert auch die Grüne Marlies Bänziger. “Wir müssen uns jetzt überlegen, das Beitrittsgesuch zu erneuern.” Das würde es der Schweiz ermöglichen, über Vor- und Nachteile eines Beitritts zu diskutieren, so Bänziger. “Die Frage ist völlig tabuisiert. Wir diskutieren weder über die Folgen eines Beitritts, noch über die Möglichkeiten des bilateralen Wegs. Es wäre spannend, gleichzeitig unser Verhältnis zur EU und den Informationsaustausch zu thematisieren.”
Steuern um 10% erhöhen
Der Freisinnige Rolf Schweiger ist gegen einen EU-Beitritt: “Die EU ist für uns zwar wichtig, aber die Zukunft der Schweiz liegt in der weiten Welt. Im Rohstoffhandel beispielsweise sind China, Russland oder Brasilien viel wichtiger.” ”Überhaupt kein Thema” ist ein EU Beitritt für den Rechtskonservativen Hans Kaufmann: “Wir wären auch wirtschaftlich gesehen schlecht beraten, müssten als einziges Land das Zinsniveau von unten nach oben anpassen und die Steuern um 10% erhöhen.”