Eine Umfrage zeigt: Wenn es um Verspätungen geht, sind die Schweizer gar nicht tolerant. Ausser wer links wählt, dem ist Pünktlichkeit weniger wichtig. Etwa knapp über die Hälfte der Deutschschweizer toleriert eine Verspätung von zehn oder mehr Minuten
Nervöses von einem Bein auf das andere Verlagern. Dabei wandert der Blick immer wieder von der Zeittafel auf die Arbanduhr oder das Smartphone mit Zeitanzeige und zurück. Der Zug sollte bereits in einer Minute losfahren, aber er fährt noch nicht ein. Die Unruhe steigt bei den Pendlern. Was ist da los? Wo ist der Zug. Da, auf der Anzeigetafel wird 4 Minuten Verspätung angezeift. Genervtes Kopfschütteln verbreitet sich unter den Wartenden. Und sowas in der Schweiz, dem Land der Uhren.
Mit starrem Blick wird in die Richtung woher der Zug einfahren sollte, gestarrt. Es könnte ja sein, dass er noch eine zusätzliche Minute zu spät kommt. Die Konsequenzen scheinen in dem Moment verherend zu wirken. Wie wilde Tiere warten die Passagiere auf ihr “Frischfleisch” und steigen dann schliesslich bei Ankunft etwas Unverständliches murmelnd in den Zug und scheinen sich noch den Rest den Tages nicht mehr ab diesem Vorkommnis beruhigen zu können.
Viele Faktoren spielen bei dieser Einstellung eine Rolle
Nich nur bei Verspätungen der SBB oder anderen Verkehrsbetrieben sind die Schweizer heikel: In der Westschweiz akzeptieren nur 47 Prozent eine solche Verspätung, im Tessin gar nur 40 Prozent.
Verspätungen von fünf Minuten oder mehr sind insgesamt für fast die Hälfte inakzeptabel. Das zeigt eine neue Studie des Instituts Sotomo.Dabei spielt offenbar auch die politische Orientierung eine Rolle. Wer politisch weiter links steht, der toleriert Verspätungen eher. Kein Wunder, denn diese Personen tragen auch weniger häufiger Armbanduhren, wie die Studienautoren schreiben. Die seien vom Zeitmesser nun endgültig zu einem «Statussymbol der wohlhabenden Bourgeoisie» geworden.
Manchmal lässt der Schwizer sich auch Zeit
Die Autoren beschäftigten sich auch mit der Frage, wofür sich Schweizer Zeit nehmen wollen und wofür sie im Rückblick lieber mehr Zeit investiert hätten.
Über die Hälfte der Befragten sagte im Nachhinein, dass sie häufiger reisen würden – obwohl die Schweizer nach den Finnen schon die reisefreudigsten Europäer sind. Auch Sport, Fremdsprachen und Musikinstrumente verdienen gemäss den Befragten mehr Zeit.
Auch entspannen kann sich der Schweizer gut
Zum Entspannen geht über die Hälfte in die Natur, noch 45 Prozent schalten bei TV-Serien ab und für immerhin 40 Prozent der Eltern mit Kindern unter 16 Jahren ist die gemeinsame Zeit entspannend. Die Studie belegt auch einen Unterschied der Geschlechter. Die Frauen entspannen deutlich häufiger beim Lesen, die Männer beim Sport. Deutschschweizer sind an durchschnittlich 2,2 Tagen pro Woche abends ausser Haus unterwegs. Besonders in der Kultur- und Medienbranche beschäftigte Personen sind häufig ausserhalb der eigenen vier Wände unterwegs.
Auch Führungskräfte haben abends oft viel vor – aber häufig eben auch Geschäftstermine, die nicht immer einen enorm entspannenden Effekt ausüben.
T.N.