Das bundesweite Alarmsystem für Kindesentführungen, ähnlich wie jenes im benachbarten Frankreich, ist seit dem 1. Januar in Kraft.
Nach der Entführung der fünf-jährigen Ylenia im Sommer 2007 wurden in der Schweiz Rufe laut, ein landesweites Alarmsystem bei Kindesentführungen einzuführen. Bei jeder weiteren Entführung wurden die Rufer zahlreicher und lauter. Ylenia Lenhard wurde tot in einem Wald in der Ostschweiz gefunden, fast sechs Wochen, nachdem sie entführt worden war. Dann, im März 2009, flammten nach dem Mord an der 16-jährigen Lucie Trezzini die Rufe nach einem Alarmsystem erneut auf. Beim neuen System informiert eine Kantonspolizei, nachdem sie eine Entführungsmeldung erhalten hat, das Bundesamt für Polizei. Dieses gibt dann die Nachricht via Autoradio-Ankündigen, auf Autobahn- Infotafeln, sowie via Lautsprecher auf Bahnhöfen und Flughäfen an die Bevölkerung weiter. Die ersten Stunden nach der Entführung seien die kritischsten, sagte der Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Roger Schneeberger, dem Deutschschweizer Fernsehen, weil sich die Entführer immer noch bewegten und die Möglichkeit sie auf der Strasse oder irgendwo in der Öffentlichkeit zu lokalisieren, am grössten sei. Laut Schneeberger wird nur Alarm ausgelöst, wenn ein Kind echt gefährdet sei und nicht bei jeder vermissten Person. Sonst hätte man zu viele Fälle, bei denen Alarm ausgelöst werden müsste. “Das wäre mehrere Male täglich und dann wäre das System nicht mehr wirksam.”
In Frankreich ein Erfolg
Im Nachbarland Frankreich wurde das landesweite System mehrere Male ausgelöst. Laut der Polizei sei es damit möglich gewesen bis zu vier Entführungen zu verhindern. Ein Kernelement des neuen Systems ist die Verwendung der schnellen elektronischen Medien, darunter das Schweizer Fernsehen. Wenn ein Kind entführt wird, kann sofort am unteren Rand des Fernsehbildes eine Laufschrift eingeblendet werden. Weiter kann in den Pausen zwischen den Programmen eine Ankündigung mit einem Bild der vermissten Kinder gesendet werden – und das mehrere Male pro Stunde. ”Das Beispiel Frankreich zeigt, dass die Alarme in mehreren Fällen erfolgreich waren, “sagt Hansruedi Schoch, Chefredaktor der Nachrichtensendung Tagesschau. “Für uns, das Schweizer Fernsehen, ist es wichtig, uns zu engagieren, zu helfen.” Auch die Nachrichtenagenturen helfen bei der Verbreitung der Suchmeldungen mit. Im Lauf des Jahres werden auch die Mobiltelefon-Anbieter in das Alarmsystem einbezogen. Alle Abonnenten erhalten eine SMS-Nachricht, wenn ein Kind entführt worden ist.
Parlamentarischer Druck
2008 wurden über 32’000 Unterschriften für ein landesweites Alarmsystem gesammelt. Das Parlament hat Druck aufgesetzt bei der Einführung des neuen Alarmsystems im Fall von Kindesentführungen. Im Frühling 2009 folgte der Nationalrat dem Ständerat, um auf eine engere Zusammenarbeit zwischen den kantonalen Behörden, Medien, Verkehrs- und Telekommunikationsunternehmen sowie Opferhilfeorganisationen zu drängen. Der heutige Bundesrat Didier Burkhalter, damals noch Neuenburger Ständerat, dessen Motion von der kleinen Kammer angenommen wurde, sagte in jener Zeit gegenüber swissinfo, er rufe die Regierung auf, ein ähnliches System umzusetzen, wie es sich in Frankreich bereits bewährt habe. Im französischsprachigen Teil der der Schweiz waren die Rufe nach einem solchen Alarmsystem lauter als im deutschsprachigen. Burkhalter, der seit November dem Innenministerium vorsteht, begründet das mit dem grösseren Problembewusstsein in der Westschweiz, denn in der Romandie würde oft französisches Fernsehen geschaut. ”Wenn das System verstanden wird, können die Leute auch den Nutzen dieses weiteren Werkzeugs für die Ermittler sehen. Dann wird die Zustimmung auch in der deutschsprachigen Schweiz steigen”, sagt er.