Mit Millionen gegen die reiche SVP – Acht bis zehn Millionen Franken sollen die Initiative aufhalten. Am 9. Februar gelangt die SVP-Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung zur Abstimmung
Den Themen-Cocktail für die Abstimmungswochenenden mixt der Bundesrat, indem er mindestens vier Monate vor einer Volksabstimmung die Inhalte benennt. Dies schreibt das Bundesgesetz über die politischen Rechte so vor. Frei ist der Bundesrat hingegen zu bestimmen, welche Vorlagen gleichzeitig vors Volk kommen – unter Wahrung gewisser Fristen. Beraten durch Einflüsterer, Interessenvertreter und Kommunikationsprofis achtet er dabei darauf, dass nicht einseitig gegen Partei- und Bundesratsmehrheiten mobilisiert werden kann. Der Mix macht es aus und ist Gegenstand von Einflussnahme der Regierung. Bei der Zuwanderungs-Initiative spielten auch noch andere Überlegungen eine Rolle.
Erstens: möglichst weit weg von den Wahlen. Die SVP-Initiative wird voraussichtlich stark mobilisieren. Indem der Bundesrat den Abstimmungstermin möglichst lange vor den nächsten Wahlen fixiert, vermeidet er, dass die vielen Initiativbefürworter – quasi in derselben emotionalen Wallung – gleich auch noch SVP-Kandidaten wählen. Zweitens: die kurze Zeit für den Abstimmungskampf nach Weihnacht/Neujahr und dem Stichtag am 9. Februar. Kaum sind die Feiertage vorbei, werden die Abstimmungscouverts schon in den Briefkästen liegen. Viele füllen diese umgehend aus. Die kurze Zeit für die Propaganda hilft eher den Initiativgegnern als den Initianten.
Die führende Rolle im Abstimmungskampf bei den Gegnern spielt der finanzstarke Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Seine erste Kampagnenmillion hat er bereits investiert. Seit Wochen begleiten Plakate mit schwarzen Apfelbäumen und den roten Früchten der bilateralen Verträge die Passanten. Dies ist Phase eins der Gegenkampagne. Weitere Millionen wurden in Studien investiert, weitere Millionen werden bis im Februar folgen. Etwa acht bis zehn Millionen ist Economiesuisse dieser Abstimmungskampf wert. Da wird nicht mal die SVP mithalten können, die auf gute Spendenzuflüsse und finanziell potente Parteimitglieder zählen kann.
Grosszügig, aber kontrolliert hat die Schweiz ausländische Arbeitskräfte aufgenommen
Die Argumente der Initiativgegner erfolgen auf zwei Schienen. Einerseits sollen Zahlen und Studien die wirtschaftlichen Vorteile der heutigen, wirtschaftsgesteuerten Zuwanderung belegen. Das Hauptargument hier: Ein Ja zur Zuwanderungs-Initiative ist gleichbedeutend mit dem Ende der bilateralen Verträge mit der EU. Es wird darum gehen, die SVP als unglaubwürdig hinzustellen, was ein Ja zur Initiative verunmöglichen soll. Einen wichtigen Teil ihrer Kraft will die SVP im Abstimmungskampf über Freiwillige in den Parteisektionen entfalten. Diese sind auf dem Land gefordert, ihre Plakatständer auf Privatgrund in gefrorene Ackerböden zu rammen und Standaktionen bei Minustemperaturen durchzuführen. Wie die Gegner startet auch die SVP ihre offizielle Kampagne noch vor der Adventszeit. Am Samstag steht ihre Masseneinwanderungs-Initiative im Zentrum ihrer Delegiertenversammlung in Reiden (LU). Gespannt wartet die Öffentlichkeit auf die Rede von Bundespräsident Ueli Maurer. Wie wird er die Gratwanderung zwischen der offiziell zu vertretenden Bundesratsmeinung und der eigenen Parteimeinung meistern?
Deutlich zeichnen sich demgegenüber die Argumentationslinien im SVP- Abstimmungskampf ab. Die Schweiz habe schon immer grosszügig, aber kontrolliert ausländische Arbeitskräfte aufgenommen und ihnen eine berufliche Perspektive geboten, stimmt Parteipräsident Toni Brunner die Delegierten auf die Versammlung ein. «Seit dem Jahr 2007 sind jedoch jährlich rund 80 000 Personen mehr in die Schweiz ein- als ausgewandert.» Dies entspreche Jahr für Jahr einer Zunahme der Bevölkerung in der Grössenordnung der Stadt Luzern, «in zwei Jahren gar der Einwohnerzahl der Stadt Genf.» Die SVP beschreibt die Zuwanderung somit vorab als Problem der schieren «Masse» und nicht etwa als Problem auf Stufe Individuum. Diese hohe Zuwanderung erfordere eine Siedlungsfläche von 4448 Fussballfeldern, schreibt Brunner in seiner Einladung an die Delegierten. «Die Folgen dieser verhängnisvollen Entwicklung sind täglich spür- und erlebbar: zunehmende Arbeitslosigkeit (Erwerbslosenquote von fast acht Prozent unter den Ausländern), überfüllte Züge, verstopfte Strassen, steigende Mieten und Bodenpreise, Verlust von wertvollem Kulturland, Lohndruck, Ausländerkriminalität, Asylmissbrauch, Kulturwandel in den Führungsetagen und belastend hohe Ausländeranteile in Fürsorge und anderen Sozialwerken.» Die Gefährdung des «künftigen Wohlstands in der Schweiz» prophezeien übrigens Initiativbefürworter wie Initiativgegner – je nach Abstimmungsresultat.