In der Schweiz, im Wasserschloss Europas, sind die Landschaften vom Wasser geprägt. In den letzten 200 Jahren wurden zahlreiche Fliessgewässer verbaut. Nun werden einige wieder renaturiert. Für seine Renaturierungen hat der Kanton Bern den Gewässerschutzpreis erhalten.
Aus den Schweizer Alpen fliessen Flüsse und Bäche in alle Richtungen in die Nachbarländer. Um Land zu gewinnen, wegen Siedlungsdruck und intensiver Wassernutzung für elektrischen Strom sind die Gewässer in den letzten 200 Jahren kanalisiert, begradigt, gestaut oder sonst verbaut worden.
Es folgte die Einsicht, dass dies nicht nur die Lebensräume der Wasserlebewesen einschränkt und die Artenvielfalt bedroht, sondern auch die natürliche Schutzfunktion bei Hochwasser einschränkt. Etliche Hochwasser-Schäden in den vergangenen Jahren zeugen davon.
Zurück in die Zukunft
Seit einigen Jahren werden Fliessgewässer oder Teile davon durch Renaturierungen in den alten Zustand zurückgeführt, damit ein naturnaher Gewässerunterhalt mehr Gleichgewicht in Landschaft und Lebensräume bringt. (‘Back to the Future’).
Der von Alpen, Flüssen und Seen stark geprägte Kanton Bern hat Mitte dieser Woche für seine Renaturierungen den Gewässerpreis 2009 erhalten.
Seit über einem Jahrzehnt beteiligt sich ein kantonaler Fonds an Gewässerverbesserungen. Dieser Renaturierungs-Fonds, der bisher rund 28 Mio. Franken gesprochen hat, wird von Peter Friedli, Fischereiinspektor der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern, geleitet.
An der Preisverleihung diese Woche wünschten sich Politiker, das Berner Modell solle von anderen Kantonen und dem Bund möglichst schnell kopiert werden.
Dazu: Peter Friedli, Fischereiinspektor im Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern.
Wird dieses Signal in anderen Kantonen oder sogar im Ausland empfangen werden. Die Gewässer machen ja nicht Halt an der Landesgrenze?
Peter Friedli: Sicher liesse sich dies ausweiten, nicht nur bei den Projekten. Auch in der Finanzierung ist der Kanton Bern ein Pionier. Er nutzt Wasserkonzessions-Gebühren, um beeinträchtigte Gewässer wieder aufzuwerten.
In der Schweiz gibt es noch wenige ähnliche Finanzierungsmodelle. Die zehn Jahre Erfolg beim Berner Modell haben aber gezeigt, dass Geld für Renaturierungen sinnvoll eingesetzt wird. Sie machen wirtschaftlich Sinn, fürs Baugewerbe, auch ökologisch, und kreieren Freizeitzonen.
Renaturierungen sind keine Berner Spezialität. Sie werden auch anderswo gemacht – scheitern dort aber oft an der Finanzierung. Ich nehme an, dass die Finanzierungssysteme in anderen Ländern sehr unterschiedlich aussehen.
Gibt es gemeinsame Anstrengungen der Schweiz und ihrer Nachbarländer?
Für die grossen stehenden Gewässer wie den Genfer, Boden- oder die Tessiner Seen gibt es Gremien der Anrainerstaaten. Grenzflüsse wie der Rhein liegen primär in der Kompetenz des Bundes, der aber die entsprechenden Anrainer-Kantone mit einbezieht.
Wenn ein Kanton renaturiert, Auengebiete wieder herstellt, die wirtschaftliche Nutzung einschränkt, saniert, etc. Was für Vorteile ergeben sich damit für die flussabwärts liegenden Regionen?
In früheren Jahrzehnten betrieb jeder eine St. Florians-Gewässerpolitik. Man schaute zuerst für sich, schützte eigenes Land vor Überschwemmungen, und leitete den Wasserstrom möglichst schnell in unterliegende Gebiete weiter.
Heute denkt man grossräumig. Renaturierungen tragen dazu bei, negative Auswirkungen von Eingriffen an Gewässern kleinzuhalten. Zum Beispiel durch Erhaltung und Wiederherstellung von Auen. Sie wirken wie Schwämme, und geben bei Hochwasser das Wasser dosierter an unterliegende Gebiete ab als Kanäle.
Renaturierung hilft also gegen Hochwasser. Und gegen Trockenperioden?
Ebenfalls. Dank ihrem Schwammeffekt geben Auen auch dann noch Wasser ab, wenn nicht mehr viel zufliesst. Und die Gefahr der Austrocknung flussabwärts wird kleiner.
Die Abfolge von Hochwasser und Austrocknung verstärkt sich durch urbanistische Fehler. Sizilien oder Istanbul standen deshalb kürzlich in den Schlagzeilen. Gibt es auch in der Schweiz solche Fehler?
Es gibt sie, aber eher aus früheren Zeiten. Das fruchtbare Land liegt meist im Talboden – ein Anreiz, ihn bis direkt ans Gewässer zu nutzen. Also dämmte man die Flüsse ein. Früher hatten die Flüsse noch den ganzen Talboden durchflossen.
Heute rächt sich das, weil die Flüsse ihr Gebiet im Talboden wieder zurückholen und zu nahe ans Ufer gebaute Infrastrukturen und Überbauungen beschädigen. Die neuen Gesetze schreiben deshalb minimale Gewässer-Abstände vor und scheiden Gefahrenzonen aus.
Was diese Erkenntnis betrifft, sind im europäischen Vergleich die Länder unterschiedlich weit fortgeschritten. Die Schweiz war lange ein Vorreiter.
Bei Renaturierungen spielt das Fachwissen von Ingenieuren, Biologen und anderen eine grosse Rolle. Lässt sich dieses auch für den Export oder in anderen Ländern einsetzen?
Wenn das Fachwissen auf die jeweiligen landschaftlichen und anderen Gegebenheiten adaptiert wird, ist es exportierbar. Wir importieren Fachwissen aus den Nachbarländern, andererseits arbeiten unsere Fachleute auch im Ausland.
Renaturierung setzt ein sehr interdisziplinäres Arbeiten voraus. Und doch geht ohne den Willen der kommunalen Behörden bei einem Projekt nichts.
Auch ohne Landeigentümer geht nichts. Jede Renaturierung braucht Land, das man den Flüssen zurückgibt.