Bünzlig, verstockt, Heimlifeiss? Wie ist der Schweizer Mann wirklich? Die deutsche «Zeit» sieht im Homo Helveticus viel Gutes, aber wenig Kerl. Wir wissen es besser.
Hier eine Kurzzusammenfassung: Wer einen Schweizer Mann erobern will, muss ihm an die Wäsche – so Regisseurin und Autorin Güzin Kar. Denn er selbst rührt keinen Finger, und jeder Flirt endet im Vorschlag, gemeinsam «es Käfeli» zu trinken. Und wer den Schweizer Mann kennenlernen will, tut gut daran, ihn förmlich zu grüssen – so sieht es Diccon Bewes, britischer Bestsellerautor und Blogger. Denn ansonsten sei man abgeschrieben: Der Homo Helveticus sei schliesslich schüchtern und misstrauisch und brauche einfach viel, viel Zuwendung. Aber wenn man richtig in den Schweizer investiere, dann lerne man einen «netten, bescheidenen und höflichen Gentleman» kennen, der «direkt von seiner Mutter zu seiner Freundin zieht und den perfekten Vater und Ehemann gibt, solange er das Sagen hat». Das Ganze konnte man detailliert in «Die Zeit» nachlesen (online nicht verfügbar).
Na – liebe Schweizer Männer: Rührt sich Widerspruch? Greifen Sie wenigstens verbal zur Armbrust, wie weiland Wilhelm Tell und konzentrieren sich auf den Schuss der Schüsse? Oder ist Ihnen egal, was die anderen über Sie denken und schreiben? Ganz so wie Güzin Kar es voraussagt? «Ich würde mich nie getrauen in einer Bar in Rom über die miserablen Liebhaberqualitäten der Einheimischen zu referieren. In Zürich geht das.»
Ja, er fühlt sich in die Ecke gedrängt von den Alpha-Mädchen, neben denen er zwar die Schulbank gedrückt hat, die er damals aber einfach ignorieren konnte und die nun um denselben Job buhlen. Und er ist verunsichert von der Ankunft der Pornografie im gesellschaftlichen Mainstream – so zumindest sieht es Soziologe Martin Schoch in der neuen Ausgabe von «Die Zeit»: «Was Pornos zeigen, kann ein Mann mit seinem Schnäbi privat kaum ausleben.»
Einspruch!…
Nun – wir haben da jedenfalls ein paar Einwände. Folgendes muss man dazu wissen:
- Der Schweizer Mann zieht Frauen auf der Strasse selten aus, auch nicht mit den Augen, das stimmt. Und gewiss sind auch seine Flirtversuche selten hollywoodreif. Nicht etwa weil der Feminismus ihn entmannt hat. Sondern im Gegenteil, weil er aus 40 Jahren Emanzipation gelernt hat: Frauen mögen Hollywood – aber erst, nachdem man ihnen gesagt hat, wie klug sie sind. Also: Zuerst wird bei einem Käfeli oder gar einem Latte Macchiato über Kleists «Die Marquise von O» diskutiert, dann …
- Apropos Latte Macchiato: Es stimmt, der Homo Helveticus stellt seine Männlichkeit nicht aus: Er steht mehr auf Understatement statt Schnauzer (wie Güzin Kar zurecht bemerkt). Hat er vielleicht Penisprotesen weniger nötig als seine Geschlechtskollegen anderer Nationen? Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Schweizer Mann weniger homophob sei, wie ein ausländischer Freund kürzlich bemerkte. Jedenfalls, so der Freund, sei die Schweiz das einzige Land, in dem ein Hetero-Mann Jacket und Schal tragen könne und sich getraue, auch in der Öffentlichkeit – was zu trinken? Latte Macchiato.
- Der Schweizer Mann ist im Bett so gut wie im Fussball. Nein, das ist keine Beleidigung. Bei den Frauen anderer Nationen heisst es nämlich: Wäre er doch im Bett nur halb so aktiv wie beim Football-Schauen (Amerika). Oder: Er dribbelt in Worten viel geschickter als auf dem Feld (Italien).
- Es ist tatsächlich so: Der Homo Helveticus kann es nicht leiden, wenn über seinen Kopf hinweg entschieden wird. Er kuscht – und hier erlauben wir uns eine kleine Retourkutsche an die Adresse der «Zeit»: anders als der Deutsche – nur, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Schliesslich hat er von Kindsbeinen an gelernt, dass das Volk sich in der Schweiz einmischt. Er will also befragt werden, der Schweizer Mann – aber er kann ganz gut damit leben, wenn er überstimmt wird. Ein nicht zu unterschätzender Charakterzug für eine langfristige Beziehung mit ihm.
Tijana Nikolic