Jugendliche ohne Ausbildung sind besonders gefährdet, von Armut betroffen zu werden und Sozialhilfe zu beziehen. Die Stiftung Speranza hilft jungen Erwachsenen ohne Ausbildung doch noch eine Lehrstelle zu finden.
Seit August 2009 besuchen 60 Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren das Bildungsjahr der Stiftung Speranza. Es sind Schulabgängerinnen und -abgänger, die keine Lehrstelle gefunden haben und ausgesteuerte Jugendliche und junge Erwachsene ohne Berufslehre. Gemeinden, Kantone oder Sozialämter sind die Partner und zuweisenden Stellen, welche die Teilnehmer für das Bildungsjahr anmelden.
Das Ziel des Bildungsjahres ist es, für jeden Jugendlichen eine geeignete, auf die individuellen Voraussetzungen angepasste berufliche Lösung zu finden. Für den Grossteil bedeutet das, einen Ausbildungsplatz bis zum nächsten Sommer zu finden.
Unterstützt werden die Jugendlichen von heilpädagogischen und psychologischen Fachpersonen. Selbstverantwortung ist ein zentraler Begriff: “Wir versuchen den Jugendlichen zu zeigen, dass sie für ihre Handlungen selber verantwortlich sind”, sagt Marinko Jurendic, Leiter des Bildungsinstituts der Stiftung Speranza in Luzern.
Während zwei Tagen in der Woche arbeiten die Jugendliche an Rechen- und Deutschschwächen, schreiben Bewerbungen, holen Tipps für das Bewerbungsgespräch oder planen Projekte in kulturellen und sportlichen Bereichen. Den Rest der Woche verbringen die jungen Leute als Praktikanten in einem Betrieb.
Mehrfachproblematik
Dass die Jugendlichen überhaupt in das Bildungsjahr überwiesen wurden, hat verschiedene Gründe. “Ein grosser Teil weist Mehrfachproblematiken auf”, erklärt der Institutsleiter gegenüber swissinfo.ch.
“Das können familiäre, Sucht- oder Gewaltprobleme sein. Die Herkunft mit Migrationshintergrund kann ebenfalls ein Problem sein”, sagt Jurendic. Es gebe aber auch solche, die einfach nur Pech gehabt hätten und bei denen es mit einer Anstellung schlicht nicht klappen wollte.
Viele der jungen Erwachsenen haben zuletzt die Real- oder Werkschule besucht. Es gibt aber auch solche ohne Schulabschluss. “Wie lange sie schon aus der Schule sind, hat einen Einfluss auf ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt”, sagt Jurendic.
“Die 16- und 17-Jährigen kommen meist direkt aus der Volksschule. Ihr Schulrucksack ist noch frisch und die Erfolgsaussichten deshalb gut”, erklärt Jurendic. Die über 18-Jährigen seien bedeutend schwieriger in die Arbeitswelt in zu integrieren, weil die Mehrfachproblematiken oft ausgeprägter seien als bei den Jüngeren.
Nach dem Lehrabbruch
Idriz Neziri ist einer der Teilnehmer im Bildungsjahr. “Ich habe die Realschule abgeschlossen und danach eine Lehre als Verkäufer bei einem Grossverteiler angefangen. Nach acht Monaten brach ich die Lehre ab, weil sie nicht so war, wie ich es mir vorgestellt hatte”, sagt der 23-Jährige. Er dachte, er hätte mehr Kontakt zu Kunden, was aber nicht so war.
“Nach dem Lehrabbruch habe ich einige Temporärstellen als Hilfsarbeiter oder Lagerist angenommen”, erzählt der Jugendliche. “Weil ich temporär mehr Geld verdiente als in der Lehre, habe ich mich nicht weiter um eine Lehrstelle bemüht.”
Als er keine Stelle mehr fand, meldete er sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum für Arbeitslose. Diese überwies ihn ins Bildungsjahr, damit er doch noch einen Ausbildungsplatz finde.
“Im Nachhinein war es ein Fehler, die Lehre abzubrechen. Ich hätte es durchziehen sollen”, sagt er. Der Gang zur Arbeitsvermittlung sei ihm nicht leicht gefallen. “Es war ein beschämendes Gefühl.”
Heute sucht er nach einer Lehrstelle im kaufmännischen Bereich. “Falls das nicht klappt, möchte ich die Handelsschule absolvieren.” Bis jetzt hat Idriz Neziri rund 25 Bewerbungen geschrieben, auf die er jedoch nur Absagen erhalten hat.
“Ein Unternehmen hat klar geschrieben, dass sie keine Lehrlinge über 20 Jahre anstellen”, sagt der junge Mann. “In den meisten Rückmeldungen steht allerdings nicht, weshalb sie sich gegen mich entschieden haben.”
Lehrstellensuche mit Kind
Ebenfalls in einer schwierigen Situation war Arianne Gomes. Kaum aus der Schule entlassen, wurde die 18-jährige Mutter. “Ich habe die Realschule vor einem Jahr im 5. Schwangerschaftsmonat abgeschlossen”, sagt die aufgestellte junge Frau. “Zuerst habe ich noch versucht, eine Lehrstelle zu finden, doch standen die Chancen schlecht, weil ich ein Kind erwartete.”
Mittlerweile ist sie stolze Mutter und seit dem Herbst im Bildungsjahr. Ihre Gemeinde hat ihr dabei geholfen, einen Betreuungsplatz für das Kind zu finden. In der Stiftung erhält sie auch ein auf ihre Situation zugeschnittenes Programm.
“Ich suche eine Schnupperlehre, ein Praktikum oder eine Lehrstelle”, sagt die junge Frau. Sie möchte Pflegeassistentin, Coiffeuse oder Detailhandelsassistentin lernen.
“Eigentlich wollte ich in die Hotel- oder Servicebranche. Diesen Wunsch musste ich aufgeben. Die Arbeitszeiten sind in der Hotellerie oft unregelmässig. Mit einem Kind geht das nicht”, sagt Arianne Gomes.
“Es ist schwierig, alles unter einen Hut zu kriegen: die Stellensuche, das Kind, die Betreuung, das Lernen. Manchmal habe ich Zweifel, dass ich es nicht durchziehen kann und es nicht schaffe, gleichzeitig Mutter und Lehrtochter zu sein,” erklärt die Luzernerin.
Ihr grösster Wunsch sei es, auf eigenen Beinen stehen zu können. “Ich möchte meinen Weg mit dem Kind gehen.”